Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sieht ein geeintes Europa als Voraussetzung für eine sichere Zukunft. „Krieg, Hass und Gewalt fordern nicht nur viele Menschenleben, sondern führen auch zu Flucht, Vertreibung und Heimatlosigkeit von Menschen. Die Bilder aus der Ukraine zeigen uns das jeden Tag“, sagte Rhein am Sonntag beim 9. Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation sowie dem „Tag der Heimat“. Der Gedenktag sei auch eine Mahnung an diejenigen, die Flucht und Vertreibung verursachten, relativierten oder für ihre eigenen politischen Zwecke instrumentalisierten.
„Wir müssen aus der Vergangenheit lernen. Geschichte darf sich nicht wiederholen“, sagte Rhein. Der Zweite Weltkrieg hatte Tod und Vernichtung über viele Völker Europas gebracht. Rund 15 Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wurden zwischen 1945 und 1949 gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. „Trotz dieser gewaltsamen Veränderungen in ihrem Leben haben sich diese Menschen integriert und hier bei uns ein neues Zuhause gefunden. Für rund 1,8 Millionen Menschen wurde Hessen zur Heimat. Damit hat nahezu ein Drittel der hessischen Bürgerinnen und Bürger selbst oder über die familiäre Abstammung ein Vertreibungs- oder Aussiedlerschicksal“, äußerte der Regierungschef und fügte hinzu: „Diese Geschichte und diese Gefühle gehören zusammen. Mir ist es daher sehr wichtig, dass wir den ,Tag der Heimat' und den Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation immer wieder gemeinsam begehen.“ Der Gedenktag rufe ins Bewusstsein, dass die deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler „genauso zu uns gehören wie wir zu ihnen“. Der Ministerpräsident sicherte den Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern auch künftig „eine besondere Wertschätzung in Hessen“ zu.
Der eigenen Geschichte bewusst werden
Rhein wies auch auf die Leistung der Vertriebenen und Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler für Hessen und Deutschland hin. „Sie haben Hessen und Deutschland mitgeprägt und zu dem gemacht, was es heute ist. Ihre wichtige Aufbauarbeit nach dem Krieg war Grundlage dafür, dass sich das Land positiv entwickeln konnte“, sagte der Ministerpräsident und fügte hinzu: „Wir sind allen Vertriebenenverbänden und Landsmannschaften zutiefst dankbar für das, was sie im Bereich Erinnerungs- und Kulturpflege leisten. Neben der Pflege der Kultur der alten Heimat wirken sie vor allem auch als Brückenbauer in jene Staaten, in denen ihre Herkunftsgebiete heute liegen.“
Der Ministerpräsident forderte, sich stets der eigenen Geschichte bewusst zu sein und würdigte die Erinnerungsarbeit der Heimatvertriebenen. Die Zeitzeugenberichte der Vertriebenen in Schulen oder generationenübergreifenden Projekten seien für viele Jugendliche prägend. Dass Zeitzeugen noch mit über 90 Jahren in die Schulklassen gingen, sei „beeindruckend, wertvoll, berührend und lebendiger Geschichtsunterricht“. „Diese Erzählungen sollen wachrütteln, aufmerksam machen und können dazu beitragen, künftig das zu verhindern, was vor mehr als 80 Jahren passiert ist. Eine so eindringliche Schilderung kann durch kein Geschichtsbuch ersetzt werden.“
Authentische Zeugen bei der Sensibilisierung
Die Heimatvertriebenen seien authentische Zeugen bei der Sensibilisierung für die Herausforderungen der Gegenwart und den bedingungslosen Einsatz für Menschenrechte. „Viele von ihnen werden bei den aktuellen Berichten zum Angriffskrieg gegen die Ukraine und die erzwungene Flucht der Bevölkerung an ihr eigenes Familienschicksal erinnert. Das Wissen um diese Geschichte wach zu halten, heutige Generationen darüber zu informieren, wozu Nationalismus, Hass und das Fehlen von demokratischen Strukturen führen, dazu dient unser Hessischer Gedenktag“, so die Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf anlässlich des „Tages der Heimat“.